Vom Niedergang der Linken: Wann und warum?
Diese vormalige Zukunftsgewissheit der Linken ist heute nicht mehr vorhanden. Mir fällt es jedoch schwer festzustellen, wann und warum diese Überzeugung verschwunden ist. Es war wohl ein schleichender Prozess der Verunsicherung, der in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts eingesetzt hat. Zum einen hatte sich der Kapitalismus mit dem aufkommenden Neoliberalismus im Westen als überlebens- und reformfähiger gezeigt, als es die Rede vom „Spätkapitalismus“ erwarten ließ. Zum anderen zeigte sich das kapitalistische System mit dem Ausbruch der Krise, der wachsenden Arbeitslosigkeit und Inflation, als weit krisenanfälliger und weniger steuerbar, als sozialdemokratische Reformer es angenommen hatten. Und im Osten erwies sich das Planungssystem, das die sozialistischen Länder aufgebaut hatten, entgegen aller Prognosen vom allmählichen „Absterben des Staates“ als starr, festgefügt und reformunfähig. Was dort von den Kommunisten übrig blieb, waren Bürokraten, die das bestehende System mehr schlecht als recht verwalteten, bis schließlich der letzte das Licht ausmachte. Die Linke als politische Bewegung, so werden wir wohl sagen müssen, konnte sich jetzt nicht mehr als Motor der Geschichte begreifen; vielmehr blies ihr in West und Ost der Sturm der Geschichte entgegen. Der Politologe Francis Fukuyama rief das „Ende der Geschichte“ aus und meinte damit die zweihundertjährige Geschichte der Linken als politischer Bewegung.
Zu den unerwarteten ökonomischen und sozialen Krisen kamen Ende des vergangenen Jahrhunderts eine Vielzahl neuer ökologischer Krisen hinzu – vom drohenden Waldsterben über die Luftverschmutzung bis zu den rasant wachsenden Müllbergen. Aber diese neuen Problemfelder waren so im Framework der Linken gar nicht vorgesehen. Die Parole von den „Grenzen des Wachstums“ traf daher weite Teile der Linken ins Mark. Galt ihnen doch das stetige Wachstum der Wirtschaft als der Garant, um im Westen den sozialdemokratischen „Wohlfahrtsstaat“ zu finanzieren und aufzubauen, und um im Osten den angestrebten „Übergang in den Kommunismus“ zu vollziehen. Als das sozialistische Weltsystem schließlich recht still und friedlich in sich zusammenbrach, war dies auch das Ende der linken Erzählungen.
All diese Faktoren, die seit den 70er Jahren immer wirksamer wurden, haben denn auch die vormals schwungvolle Rede vom „Spätkapitalismus“ erst fragwürdig werden und schließlich verstummen lassen. Seither sieht sich die politische Linke gezwungen, einzugestehen: Der Kapitalismus mit seiner privatwirtschaftlichen Ordnung hat wider alle historische Hoffnung und Erwartung gewonnen; es war der Sozialismus, der mit seinen gemeinwirtschaftlichen Ordnungsvorstellungen verloren hat. Die Sozialdemokraten machten sich auf die Suche nach einem irgendwie „Dritten Weg“ zwischen Kapitalismus und Sozialismus und beteiligten schließlich selbst am Abbau des Wohlfahrtsstaates; die kommunistischen Parteien lösten sich auf und verschwanden in der Versenkung; viele vormalige Anarchisten entdeckten die Ökologie als neue alternative Lebensform und schlossen sich der neuen Grünen Bewegung an..
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