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Die Linke steckt in einer tiefen Krise



Meine Ausgangsthese ist, dass die Linke, nicht nur als Partei, sondern als politische Strömung oder Bewegung geschichtlich nicht erst jetzt, sondern schon seit einem halben Jahrhundert in die Defensive geraten ist. Ihr ist es trotz aller Bemühungen nicht wirklich gelungen, den Anschluss an die weltanschaulichen und politischen Debatten um die Zukunftsgestaltung zu finden. Sie greift zwar das weit verbreitete Unbehagen in der Bevölkerung an den politischen Plänen der herrschenden Klassen auf und unterzieht sie oft auch

einer scharfen wie fundierten Kritik. Aber man wird nicht sagen können, dass sie es in den letzten Jahrzehnten geschafft hat, gegenüber den Konzeptionen des liberalen Mainstreams von einem „Grünen Kapitalismus“ oder den populistisch-reaktionären Weltanschauungen der Rechten von einem „Our Country First“ eine eigenständige und überzeugende Zukunftsvision zu formulieren. Im Gegenteil. Nicht wenige Theoretiker wie Politiker der Linken beklagen selbst, dass ihr ein kraftvolles und überzeugendes „Narrativ“, wie man das heute nennt, fehlt.


Vormals war das anders. Wenn wir zurückblicken auf die vergangenen zwei Jahrhunderte linker Politik, dann sehen wir, dass zwar der Streit unter den Linken noch so erbittert und oft grausam gewesen sein mag. Dennoch gab es zwischen ihnen die gemeinsame und identitätsstiftende Vision von einer künftigen Gesellschaft, in der die Ausbeutung der menschlichen Arbeit durch das Kapital überwunden und die Herrschaft einer privilegierten Minderheit über die große Mehrheit der Bevölkerung beseitigt sein wird. Diese gemeinsame Vision kulminierte in der Idee einer Gesellschaft von Freien und Gleichen, in der die Freiheit eines jeden, wie das Karl Marx und Friedrich Engels in ihrem „Manifest der kommunistischen Partei“ von 1848 auf den Punkt gebracht hatten, die Bedingung der Freiheit aller ist.


Diese Vision war aber nicht nur eine schöne Idee oder ein süßer Traum, sondern schien in der Realität selbst verankert zu sein. Und aus eben dieser Verankerung in der Realität erwuchs die feste Überzeugung der Linken, dass mit der Entfaltung der Produktivkräfte, dass mit den Fortschritten der Wissenschaft und Technologie eben die Voraussetzungen und Bedingungen für eine künftige wirklich demokratische Gesellschaft hervorgebracht werden. Die Linke wusste sich damals in all ihren politischen Kämpfen einig mit dem Gang der Geschichte, der ja selbst auf diese Zukunft verwies.


Bis weit ins 20. Jahrhundert, so mein Fazit, hatte die politische Linke bei allem Streit um den richtigen Weg die Vision von einer besseren Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnte. Und diese Vision hatte ohne jeden Zweifel ihre weltweite Ausstrahlungs- und Gestaltungskraft nicht nur in den imperialistischen Zentren Europas und der USA, sondern auch in den antikolonialen Bewegungen gegen die brutale Ausbeutung und Unterdrückung der Völker. Sie hat in der Tat ihre Gegner, die Rechten wie die Liberalen, das Fürchten gelehrt.


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