Die Eigentumsfrage stellen - aber wie?
Wer wie ich nicht an eine göttliche Hand oder an Wunder glaubt, muss erneut die Eigentumsfrage stellen. Er muss damit aber auch die Alternative zum Privateigentum, die Institution des Gemeineigentums, auf eine neue und andere Weise begründen. Denn im Zeitalter des Anthropozäns sind die traditionell menschenzentrierten Argumentationen für das Gemeineigentum in der Tat nicht nur theoretisch überholt, sie sind auch in praktischer Hinsicht obsolet geworden. Das von der Linken bislang erstrebte solidarische Reich der gleichen Freiheit aller – über acht Milliarden – Menschen ist heute, angesichts der planetarischen Grenzen, zu einer höchst abstrakten und kraftlosen Utopie geworden.
Und dennoch sind die Argumentationen für das Gemeineigentum heute noch überwiegend menschenzentriert und leiten dessen Notwendigkeit aus einer ursprünglich unentfremdeten sozialen wie ökologischen Praxis des Menschen her. Während das kapitalistische Privateigentum, so die Begründung, und mit ihm die Form der Lohnarbeit einen Konkurrenz- und Leistungsdruck, Versagensängste und Entfremdung erzeuge, biete das gemeinschaftliche Eigentum die Grundlage für eine selbst bestimmte, solidarische und naturerhaltende Praxis.
Dass eine solche herrschaftsfreie Praxis jenseits des Privateigentums und staatlicher Reglementierung nicht nur ein frommer Wunsch ist, sondern dass sie tatsächlich möglich ist, aber hat die Ökonomin und Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom in ihrem Buch über „Die Verfassung der Allmende“ gezeigt. Sie hat in dieser historisch-systematischen Studie das eigentlich Altbekannte wieder in Erinnerung gerufen, dass und wie „gemeinschaftliches Eigentum von Nutzerorganisationen erfolgreich verwaltet werden kann“, wie es in der Würdigung des Nobelpreiskomitees heißt. Dazu bedarf es, kurz gefasst, gewisser gemeinsamer und von allen Mitgliedern akzeptierter Regeln der Nutzung ihres gemeinschaftlichen Eigentums. Das Fazit der Studie ist, dass Probleme der Ressourcenknappheit erfolgreich ohne Privatisierung oder staatliche Eingriffe, also jenseits von Staat und Markt, gelöst werden können.
So einleuchtend diese Begründung für eine funktionierende Allmende auch ist; sie stellt sich meines Erachtens nicht den global gewordenen Herausforderungen im Anthropozän. Denn diese Form des Gemeineigentums verbleibt systematisch im Lokalen. Sie muss nämlich klare Grenzen ziehen zwischen demjenigen System, in dem jene gemeinsam akzeptierten Regeln der Nutzung gelten, und dem umfassenden und anonymen sozio-ökologischen Gesamtsystem. Solche Formen bilden, so meine Kritik, allenfalls Inseln einer solidarischen und naturerhaltenden Praxis im Meer des Weltmarkts, der weiterhin nach den Regeln des kapitalistischen Privateigentums funktioniert.
Anders hingegen verhält es sich mit system- und geschichtstheoretischen Begründungen des Gemeineigentums, die, in Anlehnung an Marx, die Überwindung des Privateigentums und die Überführung in Gemeineigentum aus den Prozessen der technischen Entwicklung, insbesondere der Digitalisierung, herleiten. Aus ihnen folge, so die Annahme, dass die private Kontrolle und Nutzung dieser Güter sich schließlich als überflüssig erweisen werde.
Doch auch diese Begründung erscheint mir nicht als zielführend. Denn sie argumentiert weiterhin menschenzentriert; sie zielt auf die schließlich kollektive Nutzung der sich rasant entfaltenden Produktivkräfte. Sie leitet die Notwendigkeit des Gemeineigentums jedoch nicht aus der naturzentrierten Perspektive her, die natürlichen Lebensgrundlagen für künftige Generationen erhalten müssen. Sie gibt keine überzeugende Antwort auf das in der Gegenwart gestörte „Mensch-Natur-Verhältnis“.
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