Der „real existierende Sozialismus“ im Osten
Nach dem ersten Weltkrieg übernahm die an Marx orientierte Linke in Russland 1917 die Macht. Mit dem "Dekret über Grund und Boden" vom 8.11.1917 schaffte sie die Institution des Privateigentums an den Produktionsmitteln ab und erklärte das arbeitende Volk zum Eigentümer des gesellschaftlichen Reichtums.
Allerdings war dann in der Sowjetunion und später in den sozialistischen Ländern das arbeitende Volk zwar formell der Eigentümer, aber die tatsächliche Verfügungsgewalt übte die Staatsbürokratie aus. Sie plante und koordinierte unter der Führung der jeweiligen kommunistischen Partei die ökonomische und soziale Entwicklung, um anstelle der Anarchie des Marktes die klassenlose kommunistische Gesellschaft als geschichtliches Endziel bewusst und „planmäßig“, wie es hieß, zu verwirklichen. Dementsprechend wurde 1961 auf dem XXII. Parteitag der KPdSU beschlossen, bis 1980 die kommunistische Gesellschaft verwirklicht zu haben. In ihr werde ein Überfluss an materiellen Gütern herrschen und die Arbeitszeit nur noch 30 bis 36 Stunden betragen. Das Parteiprogramm endete mit dem (später dann gestrichenen) Satz: „Die Partei verkündet feierlich: Diese Generation des Sowjetvolkes wird unter dem Kommunismus leben.“
Dieser an Marx orientierte Weg in eine lichte Zukunft scheiterte letztlich jedoch an dem ungelösten Widerspruch, dass es nach dem kommunistischen Prinzip ausdrücklich das Volk selbst sein sollte, dem als gemeinschaftlichem Eigentümer die Verfügungsmacht über den gesellschaftlichen Reichtums zukommt; dass diese Verfügungsmacht in der Realität jedoch ganz in der Hand der zentralen Staatsmacht lag.
Dieses Grundproblem sozialistischer Politik hatte übrigens W.I. Lenin schon am Beginn der Machtübernahme gesehen und es in die Formel vom „demokratischen Zentralismus“ gepackt. Einerseits sei es so, dass in der Tat erst das Gemeineigentum die Voraussetzung für die Mitbestimmung und die Mitwirkung aller bildet; andererseits bedarf es jedoch der zentralen Planung und Koordination des gesellschaftlich produzierten Reichtums.
Allem Anschein war es rückblickend so, dass der „reale Sozialismus“, aus welchen Gründen auch immer, nicht existieren konnte, ohne dass dieses Spannungsverhältnis zwischen demokratischer Mitwirkung und zentraler Planung einseitig zugunsten der Staatsmacht aufgelöst wurde. Dementsprechend zerfiel der „reale Sozialismus“ dann auch mit dem Glasnost und Perestroika genannten Prozess der demokratischen Öffnung.
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